In der gnostischen Auffassung gibt es verschiedene Interpretationen und Traditionen, die eine komplexe und oft unterschiedliche Sicht auf Jesus und seine Göttlichkeit bieten. Die gnostischen Schriften und Lehren, die stark von den orthodoxen christlichen Ansichten abweichen, bieten eine reichhaltige und nuancierte Perspektive auf die Rolle und Natur Jesu. Hier sind einige zentrale Aspekte der gnostischen Sichtweise auf Jesus:
1. Jesus als göttlicher Emanation und Vermittler
In vielen gnostischen Texten wird Jesus als eine göttliche Emanation oder ein Vermittler zwischen dem höchsten Gott und der materiellen Welt beschrieben. Er bringt die göttliche Erkenntnis (Gnosis), die notwendig ist, um die Gefangenschaft der Seele in der materiellen Welt zu überwinden.
- Emanation des höchsten Gottes: Jesus wird als eine Manifestation oder Emanation des höchsten, transzendenten Gottes betrachtet, der jenseits des Demiurgen steht. Er kommt in die Welt, um den Menschen die wahre göttliche Erkenntnis zu bringen.
- Bringer der Gnosis: Im gnostischen Denken wird Jesus oft als derjenige gesehen, der die verborgene Weisheit und das Wissen über die wahre göttliche Natur und die Struktur des Universums offenbart. Dieses Wissen ist notwendig, um die Seelen zu befreien.
2. Unterschiede zur orthodoxen Trinitätslehre
Während die orthodoxe christliche Lehre Jesus als eine der drei Personen der Trinität (Vater, Sohn, Heiliger Geist) betrachtet, unterscheiden die gnostischen Lehren oft schärfer zwischen dem höchsten Gott und dem Schöpfer der materiellen Welt.
- Der höchste Gott vs. Demiurg: In der gnostischen Kosmologie wird der Demiurg (oft identifiziert mit dem alttestamentlichen Gott YHWH) als ein niederrangiger, unvollkommener Schöpfer der materiellen Welt gesehen. Jesus wird als Abgesandter oder Sohn des höchsten Gottes betrachtet, der über dem Demiurgen steht.
3. Doketische Ansichten
Einige gnostische Gruppen vertreten eine doketische Sichtweise, die besagt, dass Jesus keinen wirklichen physischen Körper hatte, sondern nur den Anschein eines menschlichen Körpers annahm. Diese Ansicht unterstreicht die Unreinheit der materiellen Welt und die Reinheit des göttlichen Wesens Jesu.
- Illusion des Körpers: Nach der doketischen Auffassung erlitt Jesus nicht wirklich körperliche Schmerzen oder den Tod am Kreuz, da sein Körper nur eine Illusion war. Sein wahres Wesen blieb unberührt von der materiellen Welt.
4. Vielfältige gnostische Strömungen
Es ist wichtig zu betonen, dass der Gnostizismus keine einheitliche Bewegung war, sondern eine Vielzahl von Sekten und Lehren umfasste, die unterschiedliche Ansichten über Jesus und seine Göttlichkeit hatten.
- Nag Hammadi Schriften: Die in den Nag Hammadi Schriften gefundenen gnostischen Texte bieten unterschiedliche Perspektiven auf Jesus, von ihm als göttlichem Erlöser bis hin zu einem göttlichen Lehrer, der geheimes Wissen übermittelt.
Zusammenfassung
In der gnostischen Auffassung wird Jesus in der Regel als eine göttliche Figur und Vermittler betrachtet, der die göttliche Erkenntnis bringt und die Seelen von der Gefangenschaft der materiellen Welt befreit. Er wird als Emanation des höchsten Gottes gesehen, der über dem niederrangigen Demiurgen steht. Diese Sichtweisen unterscheiden sich erheblich von den orthodoxen christlichen Lehren, die Jesus als eine der drei Personen der Trinität betrachten. Gnostische Lehren betonen oft die spirituelle und göttliche Natur Jesu!
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